Hämatologie

Überblick über die Hämatologische Diagnostik

Die hämatologische Diagnostik des peripheren Blutes basiert zunächst auf einer automatisierten maschinellen Analyse (kleines Blutbild) sowie beim großen Differentialblutbild gegebenenfalls zusätz-lich auf mikroskopischer Differenzierung mittels digitalem Mikroskop sowie konventioneller Lichtmikroskopie.

Dabei kommt modernste Technologie zum Einsatz, die sowohl Impedanzmessung (Erythrozyten- und Thrombozyten), photometrische Messung (Hb) sowie durchflusszytometrische Messung (Leukozyten, Thrombo-, Retikulozyten) mittels Lasertechnologie und Fluoreszenzfärbung umfasst.

Dabei wird ein sehr differenziertes, hoch entwickeltes Erkennungs-System eingesetzt, welches sehr sensitiv Interferenzen (z.B. Kälteagglutinine, Hämolyse, Lipämie oder Aggregatbildung von Thrombozyten) erkennt und die gemessenen Werte entsprechend überprüft. Auch Auffälligkeiten von Leukozyten werden sensitiv detektiert und gemeldet. So entstehen Warnhinweise (z.B. bei Hinweisen
auf Dysplasie, Linksverschiebung bzw. unreife Vorstufen von Granulozyten, reaktive oder neoplastische Veränderungen von Lymphozyten, blastenverdächtigen Zellen).

Diese Hinweise machen dann eine mikroskopische Überprüfung erforderlich, da auch modernste Geräte diese Zellen nicht sicher unterscheiden können. Eine verlässliche Differenzierung der Leukozyten ist in solchen Fällen dann oft nur mikroskopisch möglich. Insbesondere bei nicht frischen Proben ist eine Differenzierung bedingt durch morphologische Veränderungen der Zellen oft schwierig oder unmöglich.

Hinweise durch den Einsender bei klinischem Verdacht auf eine hämatologische Erkrankung oder bereits bekannte Erkrankungen sind für die hämatologische Diagnostik von großer Bedeutung! Es  kann dann gezielt mikroskopisch daraufhin untersucht werden. Ansonsten erfolgt eine Mikroskopie nur bei detektierten Auffälligkeiten in der maschinellen Differenzierung durch das automatisierte Flagging-System.

Ein sofortiges Mischen nach Abnahme der Probe ist extrem wichtig (mehrfach Probe schwenken).
Die häufigsten Störungen der Thrombozytenmessung entstehen durch Thrombozytenaggregate, bedingt durch mangelndes Mischen mit dem Antikoagulanz im Röhrchen. Es werden dadurch bedingt falsch zu niedrige Werte gemessen, die dann nicht korrekt bestimmbar sind! Im Einzelfall kann dies trotz eines sensitiven Erkennungssystems unentdeckt bleiben, was zur schwerwiegenden Diagnose einer Thrombo-zytopenie führen kann!

Die hämatologische Diagnostik umfasst folgendes Spektrum:

  • Kleines Blutbild
    •    Leukozyten-, Erythrozyten-, Thrombozytenzahl, MCV, MCHC
    •    Kernhaltige Erythrozyten (NRBC)
    •    RDW (Erythrozytenverteilungsbreite) erhöht z.B. bei Anisozytose, DD Eisenmangelanämie/
         Thalassämie
  • Als spezielle Parameter werden durchgeführt:
    •    IPF (Immature Platelet Fraction) Unreife, retikulierte Thrombozyten; -> Hinweis auf
         Regeneration der Thrombozytopoese
    •    PDW (Verteilungsbreite der Thrombozyten) Hinweis auf Riesenthrombozyten,
         Regeneration
    •    RPI (Retikulozyten-Produktions-Index) wird berechnet im Rahmen der Retikulozyten-
         Messung; Hinweis auf Regenerationsfähigkeit der Erythrozyten bei Anämie
    •   Klinisch-chemische Parameter: Transferrin-Rezeptor, Ferritin, Transferrin-Sättigung, siehe
         Leistungsverzeichnis klinische Chemie
    •    RetHe (Hämoglobingehalt der Retikulozyten) -> zur Diagnostik des funktionellen
         Eisenmangels)
  • Großes Blutbild
    •    Neutrophile-, Eosinophile-, Basophile Granulozyten, Lymphozyten, Monozyten
         Normalerweise nicht im peripheren Blut vorhandene Zellen:
    •    Meta-, Myelo-, Promyelozyten, Blasten, Monoblasten, atypische Lymphozyten (reaktiv oder
          neoplastisch)
    •    IG (Unreife Granulozyten) Die maschinelle Messung erfasst dabei Myelo-, Promyelo-,
         Metamyelozyten, eine mikroskopische Differenzierung erfolgt bei deutlich erhöhten
         Werten.  Vorkommen bei pathologischer Linksverschiebung, G-CSF-Therapie, bakteriellen
         Infektionen, Schwangeren. Auch eine Störung durch andere Einflüsse, z.B. bei zu langer
         Lagerung, ist möglich.
  • Mikroskopische Beurteilung der Erythrozytenmorphologie
    •    Es erfolgt zunächst ein Screening durch die maschinelle Analyse des peripheres
         Differentialblutbildes; bei Auffälligkeit in der automatischen Messung erfolgt eine
         mikroskopische Differenzierung.
    •   Eine Mikroskopie des Ausstrichs kann auch direkt angefordert werden. Es sollte
         zusätzlich jedoch immer eine maschinelle Analyse erfolgen, da diese wichtige zusätzliche
         Informationen liefert.
    •    Ohne direkte Anforderung bzw. klinischen Hinweis des Einsenders wird nur bei
         gemeldeten Auffälligkeiten des Flagging-Systems mikroskopiert. 
    •    Klinische Angaben durch den Einsender bzw. eine Verdachtsdiagnose sind von größter
         Bedeutung für eine sinnvolle mikroskopische Beurteilung!
    •    Für eine gute hämatologische Diagnostik sind möglichst frische Proben erforderlich!
    •    Bei älteren Proben kann die Erkennung pathologischer Zellen erschwert sein!
  • Das Differentialblutbild kann einen Hinweis geben auf folgende Erkrankungen, ein Ausschluss ist jedoch nicht immer möglich! Ggf. muss zusätzlich Knochenmark untersucht werden.
    •    Leukämien (akut/chronisch)
    •    Lymphome, z.B.CLL
    •    Reaktive Veränderungen (Hinweis auf bakteriellen o. Virusinfekt)
    •    Myelodysplastische/-proliferative Erkrankungen
    •    Malaria-Diagnostik (Ausstrich, Dicker Tropfen, Schnelltest)

  • Durchflusszytometrische Immunphänotypisierung
    (FACS-Diagnostik, zellulärer Immunstatus):  Lymphozytensubpopulationen, CD4/8, CD3, CD16, CD19

  • Hb-Elektrophorese (bei V.a. Hämoglobinopathe, z.B.Thalassämie)

  • Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) mittels kapillarphotometrischer Methode.
    Diese ist im Unterschied zur klassischen Westergren-Methode unabhängig vom Hämatokritwert des Patienten.
    Cave: Eine Sturzsenkung (> 120 mm/h), wie sie bei der Westergren-Methode bei Plasmozytompatienten beobachtet wird, findet man bei der kapillarphotometrischen Methode nicht!

    Anmerkung:
    Weitere spezielle hämatologische Diagnostik kann bei starkem klinischem Verdacht auf eine hämatologische Erkrankung wie Leukämie oder Lymphom erforderlich sein. Dazu sollten Hämato-Onkologen kontaktiert werden (z.B. Knochenmarkdiagnostik, spezielle Leukämie- und Lymphom-Immunphänotypisierung, Molekulargenetische Diagnostik, Genexpressionsanalyse).

    Proben für Molekulargenetische Diagnostik (z.B. JAK-Mutation) können an Partnerlabore weitergeleitet werden.

Ansprechpartner

Frau Dr. med.
Annette Steitz-Naumann

Fachärztin für Laboratoriumsmedizin
Autoimmundiagnostik, Hämatologie, Krankenhaushygiene

Dr. Annette Steitz-Naumann
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